Ich habe jahrelang geglaubt, ich würde mich allein deshalb gesund ernähren, weil ich Gemüse esse. Ich kaufte es beim Discounter ein und nahm hin, dass es im Vergleich zu früher immer weniger schmeckte. Auch daran, dass mein Mund kribbelte, wenn ich einen ungeschälten Apfel aß, gewöhnte ich mich.
Wenn ich möglichst unverarbeitete Lebensmittel esse, lebe ich maximal gesund, dachte ich. Dass selbst Gemüse inzwischen zu einer Art Industrieprodukt geworden ist, ahnte ich nicht.
Superfood kommt nicht aus dem Supermarkt
Das Saatgut unseres Gemüses entsteht aus Hybridzüchtung, um möglichst große und einheitliche Gemüsefrüchte zu bekommen.
Es gibt zwei Arten von Hybridzüchtung; F1 und CMS Hybride. Bei der CMS-Methode werden Pflanzenzellen werden unter Einwirkung von Chemikalien miteinander fusioniert. Normalerweise ist das Gentechnik, aber es wurde von der EU eine gesetzliche Ausnahme geschaffen, sodass auch diese Hybridsorten kennzeichnungsfrei vertrieben werden können.
Gemüsepflanzen wachsen nicht mehr auf Erde, sondern auf Substratböden oder „Grow-Bags“. Die sind gefüllt mit Perlit, einem chemisch behandelten Glas, das besonders viel Wasser speichern kann. Die Pestizide (die gern im Paket mit dem Saatgut verkauft werden), werden hier direkt mit eingespeist.
Das so produzierte Gemüse enthält kaum noch Vitamine, dafür aber umso mehr Pestizidrückstände.
Hybridpflanzen entsprechen nicht den Anforderungen unseres Körpers, sondern denen einer Verpackungs- und Transportindustrie.
Hier sind 10 Gründe, die gegen Supermarktgemüse sprechen:
Hybridsorten
Die Saatgutindustrie hat im Labor (in vitro) Pflanzen gezüchtet, die sich nicht mehr auf natürliche Art vermehren. Das ist prima für den Umsatz, denn dieses Saatgut muss jedes Jahr neu gekauft werden. Hybridsaatgut wird mit Technologien erzeugt, die der Gentechnik sehr nahestehen, trotzdem müssen die daraus entstehenden Pflanzen nicht gekennzeichnet werden. Fast alle Nahrungspflanzen, die wir kaufen, sind aus Hybridsaatgut gezüchtet (außer Demeter, Bioland, Naturland).
Das EU- Saatgutgesetz hofiert die Interessen der Agro-Industrie und macht es Bauern und kleinen Zuchtunternehmen fast unmöglich, ihr Gemüse aus alten, samenfesten Sorten zu verkaufen.
Hybridsorten werden klar bevorzugt und gefördert. Obst und Gemüse muss strengen Normen entsprechen. Alle Früchte müssen möglichst uniform aussehen, müssen bestimmten Größen und Gewichten entsprechen. Deshalb landen alte, natürlich gezüchtete und angebaute Sorten gar nicht mehr auf dem Markt.
So wenig wie Menschen alle gleich aussehen, tun das Karotten normalerweise auch nicht. Unterschiediche Größen und Wuchsformen sind von der Natur gewollt.
Böden
Um Nährstoffe zu enthalten, brauchen Pflanzen nährstoffreichen Boden, müssen also in richtiger Erde wachsen. Wenn der Boden keine Nährstoffe enthält, woher soll die Pflanze dann Nährstoffe beziehen?
Gesunde Erde wird von Mikroorganismen bewohnt; in einer Tasse Erde befinden sich mehr Lebewesen als Menschen auf der ganzen Welt. Diese kleinen Wesen bilden Symbiosen mit den Pflanzen und sorgen dafür, dass Nährstoffe über die Wurzeln gut aufgenommen werden können. Allein das Umpflügen der Erde kann dazu führen, dass Mikroorganismen sterben.
Im Großanbau ersetzt man Erde mit Substratböden oder „Grow-Bags“. Die Pflanzen wachsen dann in Perlit, einem chemisch behandelten Glas, das besonders viel Wasser speichern kann.
Vitamingehalt
Samenfeste Sorten entwickeln sich über Jahre so, dass sie an ihrem Standort gut überleben. Wenn man ihnen Zeit gibt, „lernen“ sie, sich gegen Schädlinge zu verteidigen oder mit langen Trocken- oder Regenzeiten zurechtzukommen.
Gegen Schädlinge verteidigen sie sich zum Beispiel mittels sekundärer Pflanzenstoffe. Kohl setzt Senföle frei, wenn er von Käfern angefressen wird, sodass der Käfer aufhört, zu fressen oder stirbt. Genau diese sekundären Pflanzenstoffe wirken für Menschen so gesundheitsfördernd. Senfölglykoside zum Beispiel wirken für Menschen antibakteriell – der Inhaltsstoff tötet nicht nur Käfer, sondern auch Viren und Bakterien im menschlichen Organismus.
Wird eine Pflanze mit Pflanzenschutzmittel behandelt, entwickelt sie diese Art vom Frassschutz nicht mehr, folglich enthält sie dann auch keine gesundheitsfördernden Stoffe mehr. Stattdessen aber die Rückstände der chemischen Pflanzenschutzmittel.
Stell dir vor, du wärst eine Pflanze – du kannst weder bei zu viel Sonne in den Schatten gehen noch vor Fressfeinden weglaufen. Also entwickelst du Schutzstoffe – auch sekundäre Pflanzenstoffe genannt. Sie schützen deine Blätter vor intensiver Sonneneinstrahlung oder verderben Käfern und Raupen den Appetit – für Menschen schmecken sie meist scharf oder bitter. Je rauher die Bedingungen, unter denen du aufwächst, desto mehr dieser Stoffe musst du entwickeln.
Stell dir jetzt vor, du wärst eine konventionelle Pflanze, die im Gewächshaus unter idealen Bedingungen groß wird. Wie ein Kind, das nie im Matsch spielt, entwickelst du keine Abwehrstoffe. Das brauchst du nicht, denn chemische Pflanzenschutzmittel wehren Schädlinge ab.
Macht es jetzt Sinn, auch das Gemüse zu kaufen, das ein bisschen abgekämpft und windschief aussieht? In ihm stecken die meisten gesunden Inhaltsstoffe – aber im Supermarkt bekommst du es nicht.
Pestizide
Aus Hybridsaatgut gezüchtete Pflanzen überleben nur, wenn man sie mit den eigens dafür entwickelten Chemikalien einsprüht. Die Agrokonzerne machen mit dem Verkauf von Kunstdünger und Pestiziden oft noch mehr Profit als mit dem Verkauf von Saatgut.
Nachhaltigkeit
Unser Ernährungssystem ist Ursache für Klimawandel, Wasserknappheit, Artensterben und Umweltvergiftung. Überdüngung und chemische Pflanzenschutzmittel gefährden unser Wasser, unsere Böden und unsere heimische Tierwelt.
Lebensmittelvernichtung
In die Supermärkte kommt nur das Obst und Gemüse, dass absolut makellos aussieht und den EU-Richtlinien entspricht. Danach müssen Äpfel einen Mindestdurchmesser haben, Salatköpfe ein Mindestgewicht und Möhren und Gurken eine möglichst gerade Wuchsform.
Alles andere (bis 90% der Ernte) wird vernichtet oder untergepflügt. Lebensmittelverschwendung im ganz großen Stil.
Oft wird argumentiert, man bräuchte die höheren Erträge der Hybridsorten, um die Menschheit zu ernähren. Solange wir aber Ernten in solchen Dimensionen vernichten, kann das kein Argument sein.
Lagerung
Wichtigstes Kriterium für Supermarktgemüse ist das „Long Shell Life“, die möglichst lange Lagerung im Regal, ohne dass sich das Gemüse optisch verändert. Falls es noch Nährstoffe enthält, verliert es sie bei der Lagerung. Wegen der stetig sinkenden Nährstoffdichte wird konventionelles Gemüse manchmal sogar „schnittfestes Wasser“ genannt.
Menschheitserbe geht verloren
Samenfeste (auf natürliche Art gezüchtete) Sorten wurden seit Jahrtausenden gezüchtet. Verlieren wir sie, geht uns uraltes Wissen verloren. Das ist nicht nur unwiderbringlich, sondern gefährdet auch unsere Ernährungssicherheit. Da Hybridsorten aus Inzuchtlinien hervorgehen, verlieren diese Pflanzen die Fähigkeit der Anpassung. Alte Sorten haben sich über viele Generationen genau an ihren Standort „gewöhnt“ und können mit dem lokalen Wetter und Boden gut umgehen. Hybridsorten werden weltweit verkauft, sie können sich nicht mehr auf natürliche Art gegen Schädlinge verteidigen und brauchen Pflanzenschutzmittel.
Viele indigene Völker hegen eine fast familiäre Beziehung zu ihren Gemüsepflanzen, weil sie über so lange Zeit von ihren Ahnen gezüchtet wurden. Sie ziehen ihr Gemüse mit viel Liebe groß und würden es nie fertig bringen, es mit Gift zu besprühen. Das mag für viele extrem klingen, zeigt aber, wie weit wir uns vom Ursprung der Gemüsezucht entfernt haben.

Wenn nicht im Supermarkt – wo dann?
Niemand will nach einem langen Arbeitstag noch weit fahren, um direkt beim Bauern einzukaufen. Vielleicht ist auch der nächste Bioladen einfach zu weit weg und deine Arbeitszeiten erlauben keinen Besuch auf Wochenmärkten?
Dann gibt es viele andere praktische Lösungen, die das lokale Biogemüse direkt zu dir an die Haustür bringen.
Ich selbst bin inzwischen sogar froh, keinen Discounter mehr betreten zu müssen. Lange Schlangen vor der Kasse und mit Einkaufswagen verstopfte Gänge sind das Letzte, womit ich meine Freizeit verbringen möchte.
So bekommst du dein Bio-Gemüse ohne großen Umstand:
1. Gemüsekiste
In Hamburg gibt es sie zum Beispiel bei den Ackerperlen, Sannmann oder bei Lehmanns Bio-Service.
Anmerkung zur Corona-Krise: Im Moment nehmen viele Lieferanten keine neuen Kunden an, hier findest du eine weitere Liste mit Höfen in Hamburg.
Man muss nicht direkt das Abo nehmen, sondern kann auch einzelne Kisten bestellen. Manche Kisten musst du beim Hof abholen, andere werden direkt zu dir nach Hause geliefert.
2. Gemüsekisten Online Bestellung
Frischepost bietet sogar einen Online Hofladen an, in dem du die Produkte mehrerer Höfe und lokaler Hersteller findest. Du kaufst dein Gemüse von zuhause und holst es an zentralen Abholstellen in Hamburg ab oder lässt es dir liefern. Du kannst direkt nachverfolgen, wer dein Gemüse angebaut hat und woher es kommt.
Falls du das erste Mal bei Frischepost bestellst; mit diesem Code bekommst du einen 10 Euro Rabatt auf deinen Einkauf: caroline-26727).
3. Hofladen
Manche Höfe haben ganz zentral in der Stadt Hofläden, so musst du nicht aufs Land fahren. In Hamburg zum Beispiel der Kattendorfer Hof.
4. Solawi
SOLAWI steht für solidarische Landwirtschaft. Das bedeutet, man teilt sich in einer Gruppe sowohl die Kosten als auch die gesamte Ernte, die ein Hof abwirft. So kann der Hof langfristig und ökologisch geplant werden.
Bei der Solawi Superschmelz kostet so ein Anteil z.B. monatlich 43 Euro für eine Person (Bio-Anbau).
In Hamburg gibt es außerdem noch die Solawi Vierlande oder den Kattendorfer Hof.
Hier findest du eine Solawi in deiner Nähe, wenn du nicht in Hamburg wohnst.
5. Wochenmärkte und Bioläden
Auf dem Wochenmarkt kannst du oft persönlich mit den Erzeugern sprechen und gezielt nach samenfesten Sorten fragen. In vielen Bioläden bekommst du genaue Infos über die Herkunft der Lebensmittel und super Beratung.
In Hamburg bekommt ihr zum Beispiel im Monger Store regionales Demeter Gemüse (und viele andere Bio-Lebensmittel) – sogar unverpackt.

Warum es sich lohnt, in gutes Essen zu investieren
Vielleicht findest du das Gemüse erstmal teuer, wenn du Discounterpreise gewohnt bist. Aber wenn du gesundheitsbewusst essen willst, kommst du an schadstofffreiem Bio-Gemüse nicht vorbei. Bedenke, dass die konventionelle Landwirtschaft in Europa stark subventioniert wird und nur deshalb so günstig produzieren kann.
Bedenke außerdem, dass du dauerhaft mit wirklich gutem Essen keine Medikamente mehr brauchst.
Durch Schadstoffe wie Pestizide können zum Beispiel chronische Krankheiten entstehen, weil der Körper die hohen Schadstoffmengen mehr ausscheiden kann.
Du schützt deinen Darm und somit deine gesamte Gesundheit, wenn du weniger Pestizide aufnimmst.
Probe-Biogemüse-Kiste
Falls du dir unsicher bist, ob es dir das Geld wert ist, bestell dir einmalig eine Probe-Gemüsekiste. Das Aroma wird dich überzeugen, vielleicht wirst du dich auch in den Duft verlieben. Ich könnte zum Beispiel lange Zeit mit einem frischen Knollensellerie unter der Nase verbringen.
Das Biogemüse kommt von Produzenten, die ihre Pflanzen mit viel Liebe und Herzblut aufziehen. Das wirst du schmecken, versprochen!
Ich finde, ihre Arbeit ist es wert, ein bisschen mehr Geld auszugeben.
Außerdem hast du dann ganz besondere Highlights auf dem Teller, die niemand anders hat. Wie wäre es zum Beispiel mit einem lila Kartoffelauflauf aus blauer Anneliese?
Oder mit Tomatensalat aus getigerten oder herzförmigen Tomaten?
Samenfestes Gemüse selber pflanzen
Auch der eigene Gemüsegarten erlebt (zu Recht) ein Revival. Slow Food betreibt eine Datenbank für samenfestes Saatgut für den eigenen Garten. Auf Saatguttauschbörsen und -plattformen bekommst du oft samenfestes Saatgut, das es im Handel kaum noch gibt.
In Städten gibt es die Möglichkeit, ein Stück Garten zu mieten (zum Beispiel bei Ackerhelden).
Die EU Gesetzgebung geht sogar so weit, dass Hybridsorten klar bevorzugt und gefördert werden. Obst und Gemüse muss strengen Normen entsprechen. Alle Früchte müssen möglichst uniform aussehen, müssen bestimmten Größen und Gewichten entsprechen.
So wenig wie Menschen alle gleich aussehen, tun das Karotten normalerweise auch nicht. Unterschiediche Größen und Wuchsformen sind von der Natur gewollt.
Deshalb landen alte, natürlich angebaute Sorten gar nicht mehr auf dem Markt.
Wir müssen uns die Macht und das Wissen über unser Essen zurückerobern, bevor Agrarkonzerne übernehmen!

Weiterführende Links und Literatur:
Arvay, Clemens: Hilfe, unser Essen wird normiert. Wie uns EU-Bürokraten und Industrie vorschreiben, was wir anbauen und essen sollen.
Stefan Kreeutzberger/Valentin Thurn: Die Essensvernichter
Arte Dokumentation: Die Saatgut-Retter
Film: 10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?
Slow Food Deutschland: Verlust von Biodiversität wird Milliarden kosten
Dokumentation Unser Saatgut
Dokumentation Bauer Unser
Eckart Brandt: Alte Apfelsorten neu entdeckt
Comments
Das ist wirklich interessant. Ich habe mich leider immer noch nicht damit mehr beschäftigt.
Liebe Grüße
Luisa von http://www.allaboutluisa.com/
Danke, und ja, ich finde, es lohnt sich, das Thema näher anzuschauen
Pingback: 9 Fehler, die du beim Kräuterteekochen meiden solltest - Pflanzenfrau
Pingback: Die besten pflanzlichen Immunstärker & Virenhemmer - Pflanzenfrau
Ich interessiere mich besonders für Wildpflanzen!
Hallo! Hast du eine Doku- oder Buch Empfehlung, um mehr über das Thema zu lernen, woran man gutes Gemüse erkennt? Möchte mehr über gutes Essen erfahren, weniger über schlechtes. Danke für den Beitrags Lg
Ich fand die Bücher von Clemens Arvay zu dem Thema hilfreich, vielleicht ist auch dieser Link gut für weitere Infos: https://www.slowfood.de/go-slow/slowpedia-lebensmittelwissen