alte Tomatensorten

Hamburgs Tomatenretter & warum wir alte Tomatensorten brauchen

In Naturreiseziele, Pflanzenportraits by Pflanzenfrau4 Comments

Als ich das Gewächshaus der Tomatenretter betrete, erwarte ich rote runde Früchte an Sträuchern. Ich finde etwas völlig anderes: Tomaten in Grün, lila und schwarz. Tomaten mit Streifen, in länglich, in Birnen- und Herzform, in Kindskopfgröße und im Miniformat, nicht größer als Stachelbeeren.

Mir entgleiten vor Entzückung die Gesichtszüge, mit offenem Mund bestaune und betaste ich die Tomaten in ihren bunten Prachtgewändern. Wer mich von außen sieht, würde wahrscheinlich denken, ich sei auf LSD.

Ihr Geschmack ist so vielfältig wie ihr Aussehen. Manche schmecken zuckersüß und so knackig, dass sich ihr Inhalt im hohen Bogen über meiner Jacke verteilt, als ich reinbeiße.
Andere sind fleischig, zart und weich und schmecken nach Sonnenstrahlen und Sommererfrischung.

tomate herzform hamburg


Wieso wurden mir diese wunderbaren Gewächse bisher vorenthalten? Warum kannte ich Tomaten nur als rote Billardkugeln ohne Geschmack?

Alte Tomatensorten sind in Gefahr

samenfeste Tomaten


Die Tomatenretter bauen nur alte, samenfeste Sorten an, denn viele davon sind fast ausgestorben. Um das genau zu erklären, muss man ein bisschen weiter ausholen;

Gemüse vermehrt sich normalerweise von selbst. Die Natur hat ein geniales System entwickelt, denn aus jedem kleinen Tomatenkern kann eine neue Pflanze entstehen, völlig gratis und von selbst. Da sich mit diesem System aber kein Geld verdienen lässt, haben Konzerne das Hybridsaatgut erfunden, das jedes Jahr neu gekauft werden muss.
Es entsteht im Labor und aus Pflanzen, die in ihrer Blühbiologie so beeinflusst wurden, dass sie sich nicht mehr von selbst vermehren.

Wegen der höheren Erträge und der besonders einheitliche Pflanzen, die aus Hybridsaatgut entstehen, verkauft es sich gut.
Nach EU-Gestzgebung muss jedes Gemüse eine bestimmte Form, Farbe und Größe haben. Nur das Gemüse, dass diesen Normen entspricht, schafft es in die Supermärkte. Deshalb gibt es dort keine alten Gemüsesorten mehr und deshalb geraten sie allmählich in Vergessenheit.

Die höheren Erträge gibt das Hybridsaatgut allerdings nur dann her, wenn man die Pflanzen mit reichlich Pestiziden besprüht. Da sie nicht auf natürliche Art entstanden sind, können sich auch nicht mehr auf natürliche Art gegen Schädlinge verteidigen.

tomatenretter hamburg

Alte, samenfeste Sorten haben „gelernt“ Stoffe zu bilden, die ihren Fressfeinden den Appetit verderben.

Man nennt sie sekundäre Pflanzenstoffe und genau sie sind es, die für Menschen gesundheitliche Wirkung haben. (Deshalb sind alte Sorten immer gesünder).

Supermarkttomaten wachsen oft auf Substratböden anstatt in Erde, deshalb enthalten sie kaum noch Nährstoffe. Wenn im Boden keine Nährstoffe sind, kann auch die Pflanze keine enthalten.
Für wirklich guten Boden braucht es Regenwürmer und die gibt es hier im Tomatenretter Gewächshaus im großen Stil.

Saatgut Archiv zur Rettung alter Sorten

Die Tomatenretter haben ein riesiges Saatgut-Archiv über aktuell 304 alte Tomatensorten angelegt. Das Saatgut kann auch verschickt werden (ihr erreicht die Tomatenretter unter info@tomatenretter.de).
Die Tomaten, die aus diesen Samen entstehen, sind nicht nur wunderschön, sondern haben besonders klangvolle Namen wie Ivory Drops und Zuckertraube.

alte tomatensorten

Zellschützer und Glücklichermacher – so gesund sind Tomaten

Mich machen Tomaten allein vom Anblick glücklich. Aber auch stofflich wirken sie stimmungsaufhellend, denn sie enthalten Tyramin und Serotonin. Die B-Vitamine stärken die Nerven, Lycopin, Flavonoide und Anthozyane sind Radikalfänger und schützen unsere Zellen vor Alterung und Entartung.

Am meisten Nährstoffe haben am Strauch gereifte, frisch geerntete und sonnenverwöhnte Tomaten. Das spricht ganz klar für regionale Bio-Tomaten; ihr Antioxidantiengehalt ist fast doppelt so hoch wie der von konventionell erzeugten.

Tomaten mögen keine langen Transporte und Lagerzeiten, am besten verbraucht man sie innerhalb von 5 Tagen.
Sie sind Freunde der Sonne und vertragen keine Aufenthalte im Kühlschrank, dort schrumpeln sie und verlieren Aroma.
Tomaten aus dem Kühlhaus haben einen Großteil ihrer Heilkraft eingebüßt. Wer eine große Ernte einfährt und nicht weiß, wohin damit, kann sie gut einfrieren und nach dem Auftauen für Suppe und Sauce verwenden.

tomate

Anfängliche Skepsis gegen die runde Aztekenfrucht

Die Tomate ist eigentlich eine Aztekenpflanze.
Als sie aus Mexiko nach Europa kam, wollte sie niemand essen, denn sie gehört zur Familie der Nachtschattengewächse. Das sind normalerweise Giftpflanzen, außerdem war die Zeit der Hexenverbrennung und alles, was psychedelisch wirkte, galt als böse.
Man fand es auch ziemlich anstößig von der Tomate, dass sie rot, prall und voll schleimiger Samen war. Dieser doppelt bösen Frucht gab man Namen wie Tollapfel oder Wolfspfirsich.
Bis 1820 ein amerikanischer Colonel groß verkündete, er würde auf seiner Veranda eine ganze Schüssel Tomaten essen. Eine sensationshungrige Meute versammelte sich am Schauplatz, um den Verrückten eines grauenvollen Todes sterben zu sehen.
Als er nicht starb, brachte man der Tomate immer mehr Vertrauen entgegen. Heute ist sie eine der meistangebauten Gemüsesorten.

Tomatenretter werden

Spätestens nach dieser Tomatengeschichte solltet ihr also überzeugt sein, dass ihr Tomaten braucht, sowohl im Garten als auch auf dem Teller.

Schaut also entweder direkt bei den Tomatenrettern vorbei oder bestellt euch ein Saatgut Abo gegen einen kleinen monatlichen Beitrag.

Hinkommen: Auf der Karte sieht es zwar weit aus, aber eine Fahrradtour (von Hamburg) zu den Tomatenrettern lohnt sich.
Auf verwinkelt verwunschenen Wegen kommt man schon auf dem Hinweg in eine Tiefenentspannung und kann das Grün genießen. Man fährt über Deiche, durch grüne Baumtunnel, an Seen, Schilf und Schafen vorbei bis zum Reitbrooker Hinterdeich.
Falls ihr keine Tomaten mögt, hier wachsen noch viele andere, samenfeste Gemüsesorten.
Reitbrooker Hinterdeich 291, 21037 Hamburg

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