Die Wildpflanzen- Studienlage ist dünn. Niemand finanziert teure Studien für etwas, das kostenlos draußen rumsteht. Pflanzenwissen beruht eher auf von Generation zu Generation weitergegebenen Erfahrungen.
Nur in den Ländern, in denen die Pharmaindustrie noch nicht zu mächtig ist und Volksmedizin aktiv betrieben wird, werden Kräuter besser erforscht.
An mehreren Unis in Russland, der Türkei und Bulgarien kamen wissenschaftliche Studien zum Ergebnis, dass die Volksmedizin Pflanzen immer schon auf die richtige Art genutzt hatte.
Ohne von den Inhaltsstoffen zu wissen, hatte man die Pflanzen intuitiv richtig angewendet.
Braucht man also Studien, wenn sich Mittel über sehr lange Zeit als hilfreich bewiesen haben?
Dass man als moderner Mensch etwas über Wirkstoffe wissen will, ist verständlich. Wer dazu erzogen wurde, rational zu denken, für den sind erstmal nur rationale Argumente greifbar.
Die moderne Wissenschaft ist ein sehr hilfreicher Weg,die Welt zu verstehen und zu entschlüsseln. Trotzdem gibt es Dinge, die sie nicht erklären kann.
Pflanzen scheinen nicht komplett erforschbar zu sein:
Wenn man alle Inhaltsstoffe chemisch nachbildet und als Pille verabreichert, hat das nicht die gleiche Wirkung wie die komplette Pflanze, teilweise ist sie sogar gegenteilig.
Es ist das Gesamtspektrum der pflanzlichen Wirkstoffe, das so gut wirkt. Die Wirkstoffe fördern sich gegenseitig auf eine (auch für die Wissenschaft) unerklärliche Weise.
Selbst wenn man alle ihre Inhaltsstoffe bis in den Nanogrammbereich kennt, kann man daraus keine Pflanze herstellen.
Das bringt uns zurück zu den Erkenntnissen, die schon viele Philosophen hatten: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Eigentlich ist es bei Menschen nicht viel anders: Wir sind chemisch gesehen auch nur ein Haufen Proteinverbindungen. Was uns wirklich ausmacht, kann man in keine Formel pressen.
„Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist herauszutreiben;
Dann hat er die Teile in seiner Hand;
Fehlt leider! nur das geistige Band.“
Goethe, Faust I
Könnte man nicht einfach hinnehmen, dass sich Menschen und Pflanzen über Milliarden von Jahren so entwickelt haben, dass sie sich ergänzen? Warum sollte eine Pflanze, die über so lange Zeit geheilt hat, plötzlich giftig oder schädlich sein?
Warum sollte eine über relativ wenige Jahre entwickelte Wissenschaft plötzlich schlauer sein als ein über Milliarden Jahre alte Evolution?
Sie hat unseren Körper zu etwas geformt, was sich offenbar sehr gut mit Pflanzen versteht und vielleicht können wir unserer Körper-Weisheit einfach vertrauen?
99% der Menschheitsgeschichte haben in der Jäger- und Sammlerepoche stattgefunden. Wir sind genetisch gut an wild gesammelte Nahrung angepasst.
Viele pflanzliche Heilanwendungen sind in etwa genauso alt. In dieser Zeit des Pflanzensammelns hat sich eine Pflanzenmedizin entwickelt. Eine Volksheilkunde, von der man wusste, dass sie funktioniert, die man aber nicht in Formeln darstellen konnte.
Ich bin kein Freund des „immer schon so gewesen“-Argument, aber wenn dieses immer schon Milliarden von Jahren alt ist, finde ich es einfach überzeugend.
Dass Pflanzenwissen intuitiv sein könnte, zeigt auch, wie Tiere Heilpflanzen nutzen.
Gemsen wälzen sich bei Verletzungen auf blutstillendem Alpenwegerich, Schafe fressen Schafgarbe bei Darmproblemen, Seehunde umwickeln Wunden mit antibiotisch wirkendem Seetang.
Jane Goodall entdeckte bei Schimpansen eine ganze Kräutersammelkultur. Kranke Schimpansen fraßen Aspilia, die ihnen ganz offensichtlich nicht schmeckte und die sie teilweise sogar erbrachen. Die Pflanze enthält in den Morgenstunden ein schwefelhaltiges, antibiotisch wirkendes Öl. Genau dann ernteten die Affen sie.
Vielleicht hätten wir die gleiche Intuition, wenn wir sie nicht verlernt hätten?
Vielleicht haben wir im Gefühl, was uns gut tut und was nicht. Vielleicht können wir unsere Intuition wiederfinden. Auch wenn das Aber wir leben in einer Welt, die das Fühlen verlernt und mit Denken ersetzt hat.
„Wir dürfen niemals den Irrtum fördern, dass die menschlichen Probleme sich wie mathematische lösen ließen.“
Hermann Hesse
Quellen:
Storl, Wolf Dieter: Kräuterkunde
Beiser, Rudi: Vergessene Heilpflanzen
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